Hat das Universum also Schluckauf?
Die Suche nach dem Gottesteilchen, dem Higgs Boson ist einigen Menschen viel wert. Immerhin wird für diese zunächst höchst akademische Forschung immenses Geld investiert, um am CERN für die Suche nach diesem postulierten Teilchen die größte Maschine der Menschheitsgeschichte zu bauen und zu betreiben.
Die Frage die sich stellt ist der Return on Investment. Freilich, wir haben es hier mit Grundlagenforschung zu tun und dafür schickt sich diese Frage nicht. Grundlagenforschung ist rein und makellos und vor allem nicht von monetären Interessen getrieben. Richtig?
Falsch. Das mag vielleicht für idealistische Forscher gelten, die mit Bleistift und Papier im stillen Kämmerlein Theorien ausbrüten. Doch diese Art von Forschung, die mit Maschinen in der Größenordnung von Milliarden Dollar agiert, braucht schlicht Geld und zwar nicht zu knapp. Also muss es für dieses investierte Geld auch einen Vorteil für die Geldgeber geben. Wer Milliarden investiert will auch ein Ergebnis sehen.
Die bisherige Teilchenforschung war da simpel gestrickt. Während des Kalten Krieges galt, wer zuerst die neue Atombombe entdeckt kann den Feind auf der anderen Seite des Eisernen Vorhanges noch tausendmal mehr vernichten und deswegen muss man die neue physikalische Grundlage für die nächste große Bombe als erster finden — vor dem Feind, koste es, was es wolle. Also wurde gesucht — und zum Glück nichts weiter gefunden, von dem wir wüssten außer Quarks.
Wie passt nach dem Ende des Kalten Krieges also die Nicht ganz kostenlose Suche nach dem Higgs Boson in dieses Schema. Hat man sich doch auf die reine Forschung und die idealistische Investition von Milliarden Euro, diesmal ohne Hintergedanken von neuen Superwaffen geschlagen? Ist die Welt eine bessere geworden?
Nun, teilweise vielleicht. Der Schlüssel zu dieser Erkenntnis ist, dass das ‚Gottesteilchen‘ das Higgs-Boson eigentlich keine Große Rolle spielt. Es ist sozusagen nur der Namensgeber für eine ganz andere Art von Forschungsziel. Das Higgs-Boson ist praktisch nur die Spitze des Eisbergs, aber wenn man es findet, weiss man, dass der restliche Eisberg auch da sein muss, dass die restliche Theorie in die richtige Richtung zu gehen scheint.
Es geht um das Higgs-Feld. Das Higgs-Feld ist das Feld, das der umherschwirrenden Energie im Universum diese seltsame Eigenschaft der ‚Masse‘ verleiht. Es macht die Dinge langsam (langsamer als die Lichtgeschwindigkeit) und zugleich gewinnen die Dinge dabei eine Trägheit, erfahren eine Art Bremswirkung gegenüber Änderungen ihrer Geschwindigkeit, die mit der Eigenschaft der Masse einhergeht.
Aber, erst einmal mit ‚Masse‘ behaftet erfahren die Dinge noch etwas viel bedeutenderes: sie ziehen einander aufgrund dieser Eigenschaft auch gegenseitig an. ‚Masse‘ ist die Eigenschaft, die Gravitation, die Massen-Anziehung hervorruft, nur masse-behaftete Materie nimmt am Effekt der Masse-Anziehung, der Gravitation teil.
Das bedeutet: nicht nach dem Gottesteilchen wird am CERN gesucht, sondern nach dem Mechanismus, der ‚etwas‘ Masse verleiht, also am Effekt der Gravitation teilnehmen lässt — oder eben nicht. Die Hoffnung dabei vermutlich: wer den Effekt des Erwerbs von Masse versteht, kann ihn vielleicht nutzen, etwa um Masse auch temporär wieder loszuwerden und damit auch nicht mehr an der Gravitation teilzunehmen, vielleicht sogar, um eine Art Anti-Gravitation, also eine entgegengesetzte, abstoßende Kraft zu realisieren. Und all das mag angesichts der bloßen Entdeckung des Higgs-Teilchens futuristisch klingen.
Als Einstein E = mc2 fand, dachte er auch nicht gleich an die Höllenmaschine, die vierzig Jahre später in Alamogordo in einem grellen Blitz, gespeist aus eben jener Energie, die aus der beim Zerfall der Uran-Atome übrig bleibenden Masse kommt, verdampfen würde. Und niemand hätte es 1905 für möglich gehalten, die Energiequelle der Sonne für eine Millisekunde in der Erdatmosphäre real werden zu lassen und noch viel größere Energien mit einer Wasserstoffbombe freizusetzen. Doch all das begann mit der Relativitätstheorie und endete mit extremen Waffen dieser Bauart.
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