Wir leben in Zeiten einer weitgehend unerkannten Asymmetrie. Einer unerkannten ‚Krankheit‘, einer Anfälligkeit gegenüber Manipulation… was kann gefährlicher sein, als etwas ‚unerkanntes’…?
Daher versuchen wir hier ‚zu erkennen’… und damit die Gefahr zu reduzieren… denn bewusstes und kritisches Denken ist in dieser Welt essentiell geworden… in dieser Welt der Information… dieser Informations-Gesellschaft. Information ist zum allgegenwärtigen Machtfaktor geworden… und umso wichtiger ist es, angebotene Information kritisch zu prüfen… und dazu gehört Aufklärung über allerlei Phänomene, die die ‚Medienschaffenden‘ sehr wohl kennen… ihre Medien-Konsumenten aber oft auch nicht. Neben der hier vorgestellten eine weitere Asymetrie…
Denn, was bedurfte es in früheren Zeiten, damit man den subjektiven Eindruck hatte, dass man einen Menschen ‚kannte‘?
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Nun, es bedurfte dass man ihm persönlich begegnet. Dieses ‚Kennen‘ war praktisch beidseitig, man lernt einen Menschen kennen, indem man ihm unmittelbar gegenüber steht, mit ihm möglicherweise spricht, vielleicht sogar einige Zeit mit ihm verbringt.
Wiederholt sich dieser Vorgang, so nehmen wir einen Menschen als gewissermaßen ‚zu unserer Gruppe gehörig‘ wahr… er ist ja da, präsent… und damit auch ‚vertrauenswürdig’… denn er gehört zur Gruppe… Menschen sind soziale Wesen, die Vermutung der Loyalität innerhalb der Gruppe untereinander ist ein weiteres soziales Kalkül, das dem Menschen ebenso wie ‚das Mitgefühl‘ angeboren ist – es ist praktisch die andere Seite derselben Medaille.
Und von Personen des öffentlichen Lebens, etwa prominenten Schausteller oder Adligen hätte man in früheren, vor-medialen Zeiten, nie behauptet, dass man subjektiv das Gefühl hätte, dass man sie ‚kennen‘ würde. Man wusste wohl dass sie existieren, man wusste möglicherweise wofür sie stehen und sich einsetzen, doch eine Art ‚persönliche Beziehung‘ hätte man weder objektiv, noch subjektiv je angenommen. Aus genau demselben Grund: sie standen einem praktisch nie gegenüber, sprachen wenn überhaupt höchstens kurz ‚zu‘ einem, aber niemals ‚mit‘ einem… sie waren nie, schon gar nicht regelmäßig im Kreise der Gruppe präsent, hielten sich sogar ganz im Gegenteil absichtlich vom ‚gemeinen Volke‘ fern… Motto: ‚willst Du gelten, mach Dich selten‘. Und schon gar nicht jemals im eigenen Heim, im innersten Kern der eigenen Sicherheit, dort, wo man nur Freunde – also Menschen, denen man vertraut – hin einlädt.
Und der Grund dafür ist auch ganz simpel: als Augentier, als Wesen, dass die visuelle Wahrnehmung stärker berücksichtigt als alle anderen Sinne, bedarf es einer kontinuierlichen und wiederkehrenden optischen Nähe der Menschen untereinander, dass sie sich als zueinander ‚zugehörig‘, als einander ‚bekannt‘ wahrnehmen und vom animalischen Teil unseres Wesens als solche auch ‚empfunden‘ werden.
Übrigens offenkundig eine weitere Folge der unsäglichen Masken: Menschen ‚erkennen‘ einander überhaupt nicht mehr… werden einander fremd… künstlich und forciert entfremdet.
Doch heute ist diese Situation anders.
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Denn seit vielen Jahrzehnten nun kommen allabendlich – oder wenigstens in schöner Regelmäßigkeit – Menschen in unser Heim, in unser Wohnzimmer, sind hier präsent, sind zu sehen, sie sprechen ohne Unterlass… sie sind immer da… reden und präsentieren, witzeln und schmeicheln… wenn wir essen, wenn wir schlafen, sogar, wenn wir gelegentlich mit unserem Weib nackt auf dem Sofa Liebe machen…
Ein Teil unserer Wahrnehmung kann nicht anders, als sie – allein basierend auf unserem Verhalten – sie als engste Vertraute, als innerste Mitglieder des innersten Kreises der Familie wahrzunehmen…
Und sie geben uns ja auch durch ihre permanente Präsenz den Eindruck, wir würden sie kennen und wissen wofür sie stehen und was sie wollen… allein, weil sie als *beinahe* echte Persönlichkeiten, als *beinahe* echte ‚Menschen’… *beinahe* so als wären sie aus Fleisch und Blut gegenwärtig… von unserem Wahrnehmungssystem optisch und akustisch wahrgenommen werden.
Freilich, einem Hund fällt auf, dass diese seltsam gleichermaßen permanent präsenten geisterhaften Trugbilder aber nicht ‚echt‘, keine realen Lebewesen sein können, da sie keinerlei Geruch aufweisen… aber so etwas kümmert Homo Sapiens in seiner Neigung zum Sehen und Hören und seiner Tendenz zum Abstrakten freilich nicht.
Und offensichtlich schlussfolgert unser primitives Gehirn, dass wir diese Menschen daher kennen, dass sie tatsächlich zum engeren Umfeld unserer Gruppe, tatsächlich eine Art ‚Freunde‘ darstellen… wenngleich freilich die leise Stimme unseres Verstandes flüstert, dass dem de facto freilich gar nicht so ist, dass wir diese Menschen in Wahrheit natürlich lediglich zu kennen *glauben* – sie aber in Wahrheit umgekehrt keinerlei Notiz von uns nehmen. Das ganze Verhältnis ist im höchsten Maße a-symetrisch… es ist un-symetrisch… wenn man so will: extrem verzerrt. Das Verhältnis ist 1:n, wobei n im Zeitalter der Massenmedien sich im siebenstelligen Bereich von Millionen bewegt.
Doch eben ein gewichtiger Teil unseres ‚Urteilsvermögens‘, das primitive aber mächtige ‚Fühlen‘, der animalische Teil unseres Denkens lässt sich von solchen Vernunftargumenten freilich nicht beeindrucken. er ist autark gegenüber den höheren Hirnarealen… er hört gar nicht zu… sie sollen ihm zuhören. Er ist der ältere und er hält halsstarrig daran fest, dass er diese Menschen, die er da doch allabendlich zweifellos sieht und hört, die mitten in unserem Wohnzimmer ihre Ideen, Gedanken, ihre lustigen und unterhaltsamen, charmanten und charismatischen Persönlichkeiten ausbreiten, dass wir diese Menschen ‚kennen’… und freilich wie in alten Zeiten eben schon immer: damit natürlich sie auch uns.
Daraus folgert der animalische Teil unseres Denkens, dass sie eben auch Anteil nehmen an unserem Schicksal, dass sie ebenso mit uns fühlen, wie wir mit ihnen, dass sie praktisch ‚Freunde‘ sind, denn letztlich: nur Freunde sind all abendlich im Wohnzimmer bei uns präsent, sonst doch freilich niemand.
Und es ist noch schlimmer: da die Medien gelernt haben, die Menschen mit allerlei emotionalem Brimboriums einzufangen, regelrecht an sich zu fesseln… indem der Nachrichtensprecher traurig und betroffen schaut, wenn er von der neuesten Naturkatastrophe berichtet… und belustigt, wenn er die neueste Kinokomödie erwähnt… ‚fühlt‘ sich dieser primitive, emotionale Teil unseres Denkens zusätzlich angesprochen… wenn bisher nicht, so kippt er spätestens jetzt über die Klippe, dass diese Menschen ‚Freunde‘ sind… dass man ihnen vertrauen kann… denn sie fühlen und lassen einen mit-fühlen… was braucht es mehr?
Und diese für den Verstand seltsame und nicht faktenbasierte Schlussfolgerung wird noch durch etwas drittes untermauert: wir laden diese Menschen ja allabendlich ganz selbst, durchaus durch den Druck auf die Fernsteuerung, bewusst und absichtlich immer wieder in unser Heim, unsere Höhle ein – zu Kind und Kegel. Und wen anders als Freunde würde man denn in die eigenen privaten Gemächer einlassen und dort dulden und deren Anwesenheit sogar genießen? Sie *müssen* doch regelrecht ‚Freunde‘ sein… unser eigenes Verhalten beweist es regelrecht… nicht wahr… nicht wahr?
Nein.
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Freilich ist dem Verstand und jedem der diese Zeilen liest längst klar: wir sitzen hier einem kapitalen Irrtum auf. Der primitive Teil unseres Denkens hat nicht mitgehalten mit der modernen Medienwelt, er hat sich noch nicht angepasst an die seltsame Situation, dass er andere Menschen sehen und hören kann, sogar mit ihnen mitfiebern und mitfühlen kann, obschon sie in Wahrheit noch nicht einmal anwesend sind. Das ganze ist bekanntermaßen eine Art elaborierte Illusion… ein Zauberkunststück…
Was gleichzeitig bedeutet: die alten Mechanismen, dass Menschen die man permanent sieht und hört, auch freilich umgekehrt einen selbst permanent sehen und hören… dass nicht nur wir *ihre* Anwesenheit wertschätzen und genießen, sondern sie das umgekehrt freilich auch tun – zweifellos müssen, sonst würden sie ja schlechterdings nicht permanent in unserer Gegenwart erscheinen – all diese impliziten Kalküle des menschlichen Kontakts, all diese dem ganzen Mechanismus zugrundeliegenden Annahmen… die gelten hier freilich nicht… denn die Technik hat sich hier in die Welt eingeschlichen, und diese Technik ist in der Lage nicht nur unser Unterbewusstsein zu foppen… sondern ganze Situationen und Szenarien zu kreieren, die in der Natur schlicht nicht vorkommen.
Doch aus diesem Szenario entspannen sich ganz fatale, grundfalsche und in die Irre führende Konzepte:
Wir glauben, diese allabendlich mit uns Kontakt aufnehmenden und von uns subjektiv als eine Art ‚Freunde‘ in unsere Heim eingeladenen ‚Nachrichtensprecher‘ etwa… die wären gewissermaßen unsere ‚Freunde’… freilich ist der Dialog etwas einseitig, eher ein Monolog… doch wir sind geneigt ihnen auf animalischer, emotionaler Basis zu vertrauen – ganz ähnlich, wie wir echten Freunden aus Fleisch und Blut vertrauen würden, vielleicht sogar etwas mehr… denn…
Etwas mehr freilich deshalb, weil wir ihnen zugleich zuerkennen, dass wir nicht die einzigen sind, die ihnen lauschen, wir mit dem Verstand sehr wohl gewahr sind, dass wir nur ein winziger Teil von Millionen Menschen sind, die diesen Menschen allabendlich zuhören und ihre Meinung wertschätzen.
Zu der intimen persönlichen Freundschaftssituation, die hier vorgegaukelt wird, kommt also noch die Anerkennung dieser Leute als anerkannte Obere der Gesellschaft hinzu… der soziale Bias, sie als ‚Anführer‘ der Gesellschaft wahrzunehmen, als diejenigen, denen man zuhört, als diejenigen, die *so viele* Zuhörer und Zuschauer allabendlich haben, dass sie schlechterdings wichtig, vertrauenswürdig, unsere Freunde praktisch sein müssen. Denn – weiteres soziales Kalkül –: Wenn so viele andere Menschen ihnen zuhören, sie ernst und wichtig nehmen… der Mensch ist in diesen Dingen ein Statistiker und ein Demokrat… dann *müssen* sie schlechterdings wichtig und vertrauenswürdig sein. Sonst würden so viele Andere ihnen nicht vertrauen.
Und weil sie in der Hierarchie augenscheinlich weit oben stehen, *wollen* wir regelrecht, dass sie unsere Freunde sind, wir *wollen* ihnen vertrauen können, es wird zu einem Wunsch, zu einem Trieb… wir wollen zu ihnen aufschauen, wir wollen *ihre* Freunde sein. Ein weiteres animalisches Programm des ‚Herrentiers‘ Mensch.
Was beides zusammen diesen betreffenden Akteuren im Fernsehen freilich eine ungeheure Macht einräumt. Macht, die wir ihnen geben, weil wir sie ihnen geben und zugestehen wollen, aber auch, weil unsere animalischen Instinkte hier von der Technologie Fernsehen praktisch untergraben und hintergangen, veralbert und übervorteilt werden.
Doch bei den Nachrichten sprechen endet die Sache nicht, sie beginnt erst.
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Denn noch schlimmer wird die Situation bei Schauspielern, sogenannten ‚Stars‘. Denn sie kommen tatsächlich als Helden, als Retter der Menschheit, in allen möglichen wahnsinnigen und irrsinnigen Verkörperungen in unser Wohnzimmer, an vielen Abenden des Jahres, und präsentieren sich als ‚die Guten‘, ‚die Retter‘, ‚die Starken‘, diejenigen, die, wo immer sie auftauchen, in welcher Rolle auch immer sie erscheinen, dafür sorgen dass *alles gut wird*. Wie die Über-Väter und Über-Mütter des nicht ganz erwachsen gewordenen Fernsehpublikums, sorgen Bruce Willis und Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone und Tom Hanks schon dafür, dass am Ende immer alles gut ausgeht, und wir keine Angst haben müssen – denn sie sind ja da.
Und das subjektive animalische primitive menschliche Gemüt tendiert dazu, hier den Schauspieler, seine Rolle und auf der anderen Seite seine privaten Ansichten, mit den Rollen die er verkörpert – mit denen er freilich in der Realität kaum etwas gemein hat, als vielleicht Aussehen und Stimme – schlicht zu verwechseln.
Auch umgekehrt werden Schauspieler bei Autogrammaktionen regelmäßig von den ‚Fans‘ geschnitten, wenn sie den Bösewicht gespielt haben… ganz klar wird hier Rolle und Person mehr als verwechselt…
Arnold Schwarzenegger hat etwa dies in seiner dritten Karriere… nach dem Weltklasse-Bodybuilder und dem bestbezahlten Schauspieler Hollywoods… dann als Politiker… geschickt dazu verwendet, dass er bereits als Schauspieler sehr früh versucht hat, nicht mehr den Bösewicht zu spielen, sondern den Helden, dass er sogar, zu seinem Typus und Erscheinungsbild – der realen Inkarnation einer Comicfigur – gänzlich unpassend, versucht hat in Komödien den sympathischen Underdog, den lustig Unbedarften zu mimen… all das bereits geplant und bereits damals mit dem Ziel, in einer späteren politischen Karriere von den Menschen dann als ‚der Retter‘, ‚der starke Anführer‘, ‚der Lustige und Sympathische‘ wahrgenommen zu werden.
Und er hat diese Szenario dann als Governator von Kalifornien weidlich ausgenutzt, etwa völlig offensichtlich mit dem ewig wiederkehrenden Zitat aus seiner Paraderolle aus Terminator, mit dem er beinahe jede politische Rede einigermaßen plump beendete: ‚I’ll be back‘. Aber es hat funktioniert. Schwarzenegger mag nicht der intelligenteste Mensch auf der Welt sein, aber er ist fraglos sehr geschickt und schlau. Er weiß, wie man Menschen manipuliert und wie man von ihnen bekommt, was man will.
Und daher tendieren wir dazu, all diesen Helden der Leinwand, all diesen großen Stars… wie Schwarzenegger und De Niro, Tom Hanks und Harrison Ford, und ihren weiblichen, schönen Pendants… glauben zu schenken, wir tendieren dazu, sie als zu unserem erweiterten Freundeskreis hinzu gehörig wahrzunehmen, wir tendieren dazu ihre privaten oder gar politischen Aussagen ernst zu nehmen, als kämen sie von jemanden den wir ernsthaft vertrauen können… wir betrachten sie in völlig unangemessener Weise als gewissermaßen unsere Freunde… auch wenn unser Verstand freilich weiß, dass sie nichts von uns wissen und um ehrlich zu sein sich auch einen Dreck um uns scheren, außerhalb dessen, dass sie freilich unser Geld an der Kinokasse haben wollen.
All diese Leute, die Nachrichtensprecher ebenso wie die Filmstars haben sich in unser Herz geschlichen, durch eine höchst asymmetrische und einseitige Präsenz, dass *sie*… ganz wie Freunde… in unserem Leben immer wieder in Erscheinung und Wort auftauchen… präsent sind… uns bewegen und wir dadurch glauben, wir wüssten ‚wofür sie stehen‘, was sie bewegt und welche Ziele sie haben… während das Umgekehrte freilich überhaupt nicht gilt.
Doch unsere primitiven animalischen Kalkül über Freundschaft und Nähe zu anderen Menschen gaukelt uns das vor. Unsere animalischen Instinkte bezüglich sozialem Miteinander haben schlicht nicht Schritt gehalten mit der technischen Entwicklung und vertrauen immer noch auf die uralte Schlussfolgerung: wenn ich jemanden sehen und hören kann, dann ist er auch da… und wenn er da ist, dann kann er auch mich sehen und hören… und dann sind wir so etwas wie gute Bekannte… und wenn er immer wieder auftaucht, dann sogar Freunde. Und wenn ich ihn besonders mag, wenn er mir sympathisch erscheint oder gar in Herrentier-Manier als ein besonders zu bewunderndes und besonders starkes Mitglied unseres Spezies… dann *will* ich sogar das wir befreundet sind, Notfalls gegen jede Vernunft. Und ich bin gewillt seiner Meinung Gewicht einzuräumen und ihm zu vertrauen…
In einer Zeit gelenkter Medien und Kino voller Propagandalügen… Medien die nicht nur üble Lügen verbreiten, sondern mittlerweile sogar unmittelbar *lebensgefährliche* Lügen… Lügen, die Menschen die sich diese ‚Spritze‘ geben lassen unmittelbar zu Tode bringen… ein mehr als fataler Fehler.
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