Aus heutiger Sicht sind die vier Elemente Erde, Feuer, Wasser und Luft aus denen sich nach Aristoteles alles zusammensetzt – ‚alles‘ meint die gesamte materielle Welt inklusive aller Lebewesen und auch dem Menschen natürlich – aus heutiger Sicht ist dies altertümlicher Unfug, oder, sachlicher gesprochen, schlicht falsch.
Zwar ist die Annahme erstaunlich richtig, dass alle materielle Welt in ihrer ganzen Vielgestaltigkeit tatsächlich nur aus wenigen Komponenten in variablen Zahlenverhältnissen komponiert ist (Ich spreche hier natürlich von den Elementarteilchen, den Leptonen und Quarks, sowie den vier bekannten Naturkräften, wie Elektromagnetismus und Gravitation, die mit ihnen Haushalten), zwar hat sich auch die Ansicht bis heute als völlig korrekt erwiesen, dass Lebewesen, ebenso wie das Unbelebte, aus genau denselben voneinander völlig ununterscheidbaren Grundstoffen bestehen (Man denke an die Elemente, besonders Kohlenstoff, Stickstoff, Sauerstoff und Schwefel), doch eines ist ebenso unverrückbar heute bekannt: es sind diese Grundstoffe nicht Erde, Feuer, Wasser und Luft. Oder eben doch? Hatte Aristoteles doch recht?
Physik und Chemie haben im Laufe des 19. Und 20. Jahrhunderts aufgedeckt, wie die Atome, aus denen in Wahrheit alles besteht aufgebaut sind und wie ihre Systematik funktioniert. Es erwies sich, dass es etwa 100 verschiedene Atome gibt von denen auf der Erde allerdings nur wenige in erwähnenswerten Mengen vorkommen und für den Aufbau der für uns alltäglichen Materie inklusive uns selbst und anderen Lebewesen, verantwortlich ist. Diese Atomsorten sind es, die wir heute als Elemente bezeichnen. Ihre Unterscheidung und Sortierung nimmt man nach der Anzahl ihrer positiven Elementarladungen vor, die tatsächlich in allen ganzen Zahlen von 1 bis etwa 100 lückenlos vorkommen – allerdings sind die Elemente oberhalb von ca. 90 nicht stabil, was bedeutet, dass sie sich selbstständig in andere Atome mit geringeren Ladungen umwandeln, ein Vorgang, der ‚radioaktiver Zerfall‘ genannt wird. Jede Atomsorte einer bestimmten Anzahl von Elementarladungen weißt ein dieser Ladungsanzahl geschuldetes chemisches Verhalten auf und wir benennen große Mengen dieser Atome dann als elementare Stoffe, wie z.B. Eisen, Kupfer, Schwefel, Aluminium, Zinn oder Blei. Diese Stoffe sind ansich schon lange bekannt und es mag erstaunen, dass es sich hierbei um Stoffe handelt, die im Wesentlichen (von Verunreinigungen abgesehen) aus nur einer einzigen Sorte Atome besteht, wir sie heute daher als Elemente bezeichnen. Sie bestehen nur aus Atomen mit einer bestimmten Anzahl von Elementarladungen, aber keinen anderen. Für den Schwefel sind dies z.B. 16 Elementarladungen, für das Eisen 26 und für das Aluminium 13.
Diese Zahlenzuweisung ist im Übrigen nicht willkürlich, sondern beruht auf sehr genau gemessenen physikalischen Eigenschaften dieser Atome. Man spricht sogar davon, dass es Elementarteilchen, die kleiner als Atome sind, sogenannte sub-atomare Teilchen, dass solche Elementarteilchen von jeweils einer Elementarladung in diesen Atomen in dieser jeweiligen Anzahl vorkommen.
Alle Materie, die nicht rein aus einer Sorte Atome besteht, setzt sich im Wesentlichen aus einer Kombination dieser am häufigsten vorkommenden Atome zusammen. Dabei gibt es eine geradezu unendlich große Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten, da nicht nur verschiedene Zahlenverhältnisse möglich sind, sonder sogar die räumliche Anordnung der Atome zueinander unterschiedliches chemisches Verhalten der Stoffe bewirkt und so trotz gleicher Atome und deren gleicher Anzahl oder wenigsten gleichen Zahlenverhältnisses doch verschiedene Stoffe mit verschiedenem chemischen Verhalten entstehen können. Vor allem die Chemie des Kohlenstoffes (Ladungszahl 12) im Zusammenspiel mit Wasserstoff (1) und Sauerstoff (8) und Stickstoff(7) ist hier in seiner Vielgestaltigkeit beachtlich und im Übrigen Basis aller Chemie des Lebens auf der Erde.
All das ist von den simplen vier Elementen des Aristoteles fern genug um die aristotelische Hypothese als klare Falsch-Annahme falsifizieren zu können. Außerdem gibt Aristoteles nicht an, wie ein Gemisch aus Feuer und Erde so miteinander vermengt werden können soll, dass die vielen existierenden Stoffe unterschiedlichster Konsistenz und unterschiedlichster Eigenschaften entstehen können.
Natürlich ist offensichtlich, dass er eine Reihe von Kombinationen von z.B. Erde und Feuer angeben kann, die zu einem anderen Stoff, wie z.B. Asche zu werden scheinen. Lava könnte ebenfalls Erde mit Feuer sein und Schlamm ist offensichtlich Erde und Wasser. Wolken könnten (und tun es) aus Wasser und Luft sich zusammensetzen und so weiter. Doch von unserem heutigen Begriff von chemischer Verbindung im Gegensatz zu rein physikalischen Verbindungen (auch Mischungen genannt), von der feinen Unterscheidung zwischen kovalenten Verbindungen und Salzen, vom Verständnis von Silikaten und Organischen Verbindungen, vor allem von der Vorhersagefähigkeit welche Eigenschaften eine Verbindung haben wird und wie man sie herstellt, davon ist Erde, Feuer, Wasser, Luft meilenweit entfernt.
Doch vielleicht ist dies nur eine Frage der Sichtweise!?
Denn wenn wir uns von dem Begriff des Elementes lösen, und das ist zulässig, ob der langen vergangenen Zeit seit dem 4. Jahrhundert vor der Zeitenwende und eingedenk der vielen Übersetzungen, die die Schriften des Aristoteles in den Jahrhunderten über sich ergehen haben lassen müssen, ehe sie in geschliffenem Deutsch vor uns liegen, wenn wir uns also vom Begriff des Elementes lösen und nur zur Erbauung uns betrachten was Aristoteles uns da als elementar für die Dinge dieser Welt aufzählt, so kommen wir zu einer höchst erstaunlichen Erkenntnis: Erde, Feuer, Wasser, Luft.
Zunächst eine höchst unglückliche Reihenfolge. Klarer wird, was ich meine, wenn wir die Reihenfolge ändern: Erde, Wasser, Luft, Feuer.
Vor uns sehen wir in metaphorischer, bildlicher aber dafür eben auch Zeiten und Übersetzungen überdauernde Beispiele für:
Feststoff = Erde, Flüssigkeit = Wasser, Gas = Luft und Energie = Feuer.
Und wenn wir nun zusammenfassen, also Feststoff, Flüssigkeit und Gas als drei Darreichungsformen der Materie und Energie für sich stehen lassen, haben wir in der Tat das, wovon Aristoteles spricht, nämlich die Bausteine allen Seienden: Materie und Energie.
Ist also die aristotelische Lehre doch moderner, als man zunächst denken mag, weil man zu sehr den Vergleich zieht zu dem, was man heute unter ‚Elementen’ versteht, anstatt zu dem in Wahrheit gemeinten vorzudringen? Bewegt sich Aristoteles hier vielleicht nicht auf Augenhöhe mit den Chemikern des 19. Jahrhunderts sondern mit Einstein, dem 20. Jahrhundert und seinem E=mc2? Ist Aristoteles, richtig gelesen, kein Denker der Antike sondern regelrecht ein Prophet der modernen Physik?
Nein, ist er nicht. Denn allzu leicht konstruieren wir im Nachhinein Kongruenzen, die es nicht gibt.
Aber dieses Beispiel verdeutlicht einiges:
– wenn man mit modernem oder einfach nur dem Wissen der Nachgeborenen und etwas zu viel Neigung Parallelen finden zu wollen, Antikes interpretiert, kommt man zu vielem, auch wenn es da nicht steht. Papier ist geduldig und tote Philosophen leider auch.
– Interpretation und Reduktion reichen völlig aus um jede Behauptung so weit zu abstrahieren, bis sie zu dem, was man beweisen möchte passt. Und
– dies ist keine Methode Wissen zu schaffen, sondern nur eine um rhetorische Weisheit und Prophetie herzustellen, wo keine ist.
Dies alles drei zusammen ist die Methode der Theologie, nicht der Wissenschaft, der Philosophie ist geraten, sich davon fernzuhalten.
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