Der Herr der Ringe‘ von J.R.R. Tolkien wird nicht umsonst ‚Das Buch des Jahrhunderts‘ genannt.
Denn was Tolkien hier tut ist nicht nur besonders, sondern auch von grundlegendster Bedeutung: Dieses Buch erzählt nur eine Geschichte. Was Tolkien aber in dieser Geschichte transportiert ist Philosophie, Weltanschauung, Klarheit, Wahrheit, Weisheit, Handreichung für das eigene Leben.
Er legt diese philosophischen Überlegungen aber nicht als Sachaussagen dar (wie das nahezu alle anderen Philosophen sonst tun), sondern in Beispielen, seine Geschichte erzählt von Begebenheiten in denen sich seine weltanschaulichen und philosophischen Überlegungen widerspiegeln. Er tut dies ganz intuitiv, nicht (allein) mit der Kraft des Verstandes, sondern mit der Intuition – wie er selbst sagte: ‚das Buch schrieb sich von selbst, er sei nur der ‚Übersetzer‘, er habe es nur aufgeschrieben…‘
Und so drückt Tolkien uns seine Erkenntnisse nicht ‚rein‘. Er vertraut wie alle Guten darauf, dass Freiheit, das Gute in jedem Einzelnen und Kontemplation dieses Gute von selbst aufkeimen lassen. Er vertraut auf das Gute in jedem Einzelnen, statt, wie die Bösen das tun, seine Botschaft mit Gewalt aufokroyieren zu wollen.
### Philosophie des Jahrhunderts
Und deshalb ist ‚Der Herr der Ringe‘ das Buch des Jahrhunderts. Denn es verhandelt die grundlegendste Natur der Moralität: die Frage danach, was das Gute und was das Böse ist. Wie es sich zeigt, worin es besteht, woran man es erkennt.
Es ist das Buch des Jahrhunderts, weil auch im Herrn der Ringe die Geschichte eines großen Krieges berichtet wird, ebenso wie das 20. Jahrhundert den Großen Krieg der beiden großen Fraktionen, jenen 1. und 2. Weltkrieg und die danach folgenden Scharmützel und Nachbeben, erzählt.
Es ist dies nicht nur die grundlegendste Frage der Zivilisation überhaupt, sondern wie wir in ‚Ein Jahrhundert Religionskriege‘ gesehen haben auch insbesondere die entscheidende Frage des 20. Jahrhunderts und des sich daran anschließenden 21. nicht anders – denn diese Frage ist noch nicht geklärt.
Ich habe also nicht ganz umsonst bereits einen Artikel geschrieben, der den Titel trägt ‚Gut und Böse im Herrn der Ringe‘, worin ich auf die Führungsprinzipien der Kontrahenten Aragorn und Sauron hinweise, denn zufällig ist genau dies das Haupt-Thema des gesamten Buches. Es bietet Exempel und Analyse dafür, was *gut* ist und was *böse*.
Schlimm genug, dass unsere Zivilisation noch immer daran laboriert, dies auszukundschaften und an diesen elementaren Dingen knabbert.
Tolkien ist in diesem Sinn weniger ein Schriftsteller, als vielmehr ein Philosoph, dem es gelingt seine Botschaft, seine sehr elementaren Überlegungen und Weisheiten weiter zu verbreiten, als jedes philosophische Werk als Sachbuch das je gekonnt hätte oder könnte.
Und er sagt uns auch eines: Gott, ist nicht tot, wie Nietzsche das Ende des 19. Jahrhunderts verkündete. Gott kann gar nicht tot sein, denn das Gute besteht, so lange die Welt besteht. Denn die Welt selbst ist das Gute. Nur erkennen das verwirrte Geister manchmal nicht und opponieren…
Wer in dieser Geschichte nicht erkennt, dass das Böse nur mit ‚vereinten Kräften‘ besiegt werden kann – und vereinte Kräfte freilich ‚Loyalität‘ als zwingende Voraussetzung haben… und wer dann noch erkennt, dass die Menschen heute in der realen Welt dazu gedrängt werden und dazu verführt werden ‚Loyalität‘ zu verlachen und stattdessen rücksichtslosen Egoismus betreiben sollen… der hat schon einiges begriffen. Denn diese Werte gelten unterschiedslos in Tolkiens Welt Mittelerde, wie auch in unserer realen Welt. Sie wirken hier wie dort, sie werden hier wie dort gebraucht und missbraucht. Sie gelten in ‚allen denkbaren Welten‘, sind universal.
Der Herr der Ringe wird weit und breit gelesen, sogar die Hippies der frühen 1970er Jahre machten ihn zu ihrem Kultbuch – was verwundert, denn referiert er doch genau das Gegenteil zu jenem Aufbruch in eine utopische Welt der Hippies. Der Herr der Ringe erzählt aus einer archaische Welt mit archaischen Gesetzen, in denen augenscheinlich die Ideale von Loyalität und Mitleid, Mitgefühl mit allem was lebt, am höchsten gehalten werden und Angst, Hass und das stumpfe Befolgen von Befehlen am geringsten.
Eine Welt die aber so gar nicht neu und hip und modern ist, sondern genau das Gegenteil und in der entsprechend ‚alte Werte‘ gelten, die freilich nicht alte sind, sondern *zeitlose Werte*, immergültig, universell, jene in unserer Welt so unter Beschuss und Spott stehenden konservativen Werte – dort in Mittelerde allein, weil sie notwendig für das Überleben sind, werden sie von den Guten unablässig praktiziert und vorgelebt.
Dort, wo das Gute am Ende nur obsiegt, weil es diese Werte unumstößlich und unverhandelbar praktiziert und vertritt. Weil die Protagonisten sich eben genau *nicht* vom oft beschwerlichen und Disziplin erfordernden ‚richtigen‘ Weg abbringen lassen, weil sie beinahe halsstarrig selbst auf verlorenem Posten noch ihre Ideale leben. Das Gute obsiegt nur, weil es sich nicht korrumpieren lässt, keine, also nicht auch nur die geringsten Zugeständnisse macht, bei der klaren *einen* Linie bleibt, die Loyalität und Mitleid, Großzügigkeit und Verlässlichkeit, Hilfsbereitschaft und Respekt vorgeben. Und freilich der Disziplin wegen, diesen schweren und steinigen Pfad auch gegen die eigene Schwäche zu gehen. Nur deshalb obsiegt das Gute über die anstürmenden, die regelrecht anbrandenden schwarzen Horden des Bösen.
Noch einmal, weil es so zentral ist: das Gute obsiegt durch Loyalität und Mitleid, Großzügigkeit und Verlässlichkeit, durch Hilfsbereitschaft, Selbstlosigkeit und Respekt – und der *Disziplin*, diese Dinge – gelegentlich gegen die eigene Schwäche – auch zu tun.
Man darf annehmen, dass es in unserer eigenen Welt ganz genau ebenso ist.
Nun wundert es wohl kaum, …
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