Rogan – Peterson 1208

»Ein Teil der Ursache, dass die Schrecken der totalitären Systeme des 20. Jahrhunderts überhaupt geschehen konnten… war, dass normale Menschen nicht die erforderliche Verantwortung übernommen haben…«

»Wenn man Totalitarismus verhindern will… dann muss man das sehr früh tun… denn, je länger man wartet, desto höher wird der Preis, den man dafür bezahlt…«

»Der menschliche Geist entzieht sich profund der Evolution…«

»Obwohl das Leiden enorm ist und die Böswilligkeit abgrundtief… so ist deine Möglichkeit, all das zu überwinden doch stärker«

»Utopia ist kein Ort, an dem alle glücklich sind«

Die Neurophysiologie des ‚Sinns des Lebens‘

**Joe Rogan (JR):** Die ‚Neurophysiologie des Sinns des Lebens’…?

**Jordan Peterson (JP):** Ja… denn das Gefühl der ‚Bedeutsamkeit‘ ist ein ‚Instinkt’…

**JR:** … ach so…?

**JP:** … es ist kein Gedanke… kein sekundäres Resultat rationaler Prozesse…

… es ist viel tiefgründiger als das… es ist etwas, das die ‚Vernunft‘ antreibt…

**JR:** Ist das bei den Menschen verschieden…?

**JP:** … definitiv…!

Es ist auf folgende Weise unterschiedlich… soweit ich das sagen kann…

… stell dir vor… wie du gesagt hast… es gibt eine optimale Last…

… wenn du sie überschreitest, ist das nachteilig…

… du siehst das im Kraftraum… du verletzt deinen Muskel… du verletzt dich… du kannst dich sogar übel verletzen… du nimmst dich dadurch aus dem Spiel…

… wenn du andererseits zu wenig stemmst… dann erzielst du keinen Erfolg damit…

… du musst diesen schmalen Grad finden… wo du noch fähig bist es zu leisten, dich aber trotzdem forderst…

… und genau dort liegt auch der ‚Sinn’…

… das ist, was der ‚Sinn‘ den Leuten sagt: du bist auf dem Grat, wo du fähig bist, aber noch ein Stück von unmittelbarer Gefahr entfernt…

… dich aber gleichzeitig genug forderst, dass du dich kontinuierlich fortentwickelst…

… das ist der ‚instinktive‘ Sinn…

Für mich sieht das aus, wie das Resultat einer Interaktion der linken und rechten Hirnhälfte…

… sowie das Resultat einer Interaktion zwischen den beiden emotionalen Systemen:

… ‚Angst und Leid’… die dich steuern… die dich *vor Schaden bewahren*…

… sowie dem ’neugierigen und spielerischen System’… *das dich antreibt*…

Du brauchst das neugierige und spielerische System, um dich voranzutreiben…

… aber das wird von den negativen Emotionen reguliert… damit du dir keinen Schaden zufügst…

… und wenn du das genau triffst, ist das der Punkt maximal möglicher Herausforderung…

… und das weckt dich auf…!

… denn deine positiven Emotionen funktionieren… und sie treiben dich an… das ist es *wert es zu tun*!

… und deine negativen Emotionen sind ebenfalls wach… sie sagen: ‚ja… aber sei aufmerksam und vorsichtig…‘

… und du weißt, wie das ist im Kraftraum…

… wenn du etwas stemmst, das an der Grenze dessen ist, was du gerade noch stemmen kannst…

… dann brauchst du Unterstützung… du drückst… schaffst es kaum… und du willst sicherstellen, dass das Ding deinen Arm nicht nach hinten reißt und die den Muskel abreißt…

… aber du bist genau an dieser Grenze… und das ist auch genau dort, wo du maximalen Nutzen daraus ziehst…

… also positioniert dich dieses Gefühlt von ‚Bedeutung‘ genau auf die Grenze zwischen Chaos und Ordnung…

… andernfalls würdest du nur weiter üben, was du schon kannst… und dann verdummst du… und stagnierst…

… aber ‚zu viel Chaos‘ bedeutet: sei vorsichtig… du wirst dich verletzen… du gehst zu weit über deine Grenzen…

… du musst genau auf diesem Grat bleiben… an dieser Grenze zwischen Chaos und Ordnung… dort ist maximale ‚Bedeutung’…

**Leonard Löwe (LL):** Soll das heißen… eine ‚Bedeutung‘, einen ‚Sinn‘ im Leben zu verspüren ist lediglich ein Gefühl, dass daraus resultiert, dass man sich nicht langweilt… und sich aber auch nicht gleich umbringt…? Mehr nicht…?

Ich wusste, das Ganze ist eine Verarschung…

**JP:** … und wenn du ganz und gar nach diesem schmalen Grat, dieser Grenze suchst…

**JR:** … und wenn du diese Grenze gefunden hast… schieb sie immer weiter hinaus…

**JP:** … schieb sie weiter hinaus…!

Eines der Dinge, die ich jungen Leuten empfehle ist… besonders Leuten in den 20ern:

…’ihr solltet euch weit über die Grenzen des Erträglichen hinaus belasten…‘

… um herauszufinden, wo diese Grenze liegt…

… wieviel könnt ihr arbeiten…?

… wie diszipliniert könnt ihr werden…?

… könnt ihr 12~Stunden pro Tag arbeiten…?

… könnt ihr 8~Stunden pro Tag arbeiten… oder 3~Stunden pro Tag…?

… toujour… wo ist euer Limit…?

… wieviel könnt ihr arbeiten… und wieviel könnt ihr euch gesellschaftlich engagieren…?

… das solltet ihr herausfinden…

… bringt euch jenseits euerer Grenzen… und geht dann langsam zurück dorthin, wo ihr es dauerhaft ertragen könnt…

**JR:** Ist das nicht, was die Leute in ihren 20ern tun…? Sie gehen zu viel auf Parties… sie machen viele Fehler…

**JP:** Sie tun das auf eine planlose Art…

… sie haben diesen ‚Instinkt’… hinaus zu gehen und ‚mehr‘ zu tun…

**JR:** Richtig…

**JP:** … aber es ist unkontrolliert…

**LL:** …planlos… ohne das Bewusstsein dafür, was sie tun…

**JP:** … nicht mit so viel Selbst-Bewusstsein, wie es sein könnte…

… es ist gut zu wissen… es ist gut, all das als ein ‚Ziel‘ anzusehen…

… du versuchst herauszufinden, wo deine Grenzen liegen, wenn du in deinen 20ern bist…

… damit du an dieser Grenze operieren kannst… und über Jahrzehnte dort agieren kannst…

Du solltest dabei nicht zu viel Spaß haben… zu viel Spaß bringt dich aus dem Tritt… lenkt dich ab…

… du willst bestimmt nicht der älteste Karl in der Disco sein…

… es macht keinen Spaß, der 40-jährige in der Single-Bar zu sein…

Du solltest also auch darauf achten, dass das, was du tut deinem Alter angemessen ist…

… du willst dich in jede Richtung drängen, die du kannst… aber du solltest das mit einem Ziel vor Augen tun…

… du versuchst immerhin dich zu einem besseren und kompetenteren Menschen zu entwickeln…

… also ist etwas Disziplin neben all dem Spaß eine gute Idee…

**LL:** Heißt also: selbst die Natur, also die Instinkte, die Emotionen belohnen den Menschen dafür, dass er sich selbst diszipliniert und weiterentwickelt… eine Art inner-individuelle Evolution… eine Anpassung zwischen den Erfordernissen der Welt und seinen eigenen Möglichkeiten…

… der Versuch die ‚beste Version seiner Selbst‘ zu werden, ist also angeboren… es ist ein tief im Menschen unabänderlich innewohnender Wunsch…

Und wenn er das leistet, wird er mit dem mystischsten, bedeutendsten, weitreichendsten Gefühl von allen belohnt: ’sein Leben hat einen Sinn‘, ’sein Dasein hat eine *Bedeutung*’…

… was offenkundig dann aber keinen darüber hinaus gehenden, weiteren Gehalt hat… es ist lediglich die Karotte, mit Hilfe derer die Natur ihn dazu bewegt, über sich hinaus zu wachsen…

Was wiederum ein grelles Licht auf Ideologien wirft (wie der Woke-Marxismus), die dieses Streben im Grunde ersticken wollen… eine solche Ideologie ist offenkundig unmenschlich und kriminell… weil es den Menschen das wichtigste von allem wegnimmt: das Streben und damit den ‚Sinn des Lebens’…

… und das Ergebnis dieser Ideologie (wie vorexerziert in allen roten Staaten, von UDSSR über Ostblock bis China und Nordkorea) ist entsprechend ebenso absehbar: erstarrte, graue ‚Personen‘, keine echten ‚Menschen‘ mehr… ohne Ziel, ohne Kraft, ohne Sinn… ohne Selbstwert… ein nutzloses Wesen… unterdrückt und ohne Eigeninitiative… wertlos.

**JP:** … auf dich selbst zu achten und auf die Leute um dich herum, das ist ein…

Eines der Dinge, die ich empfehle…

… und ich kenne tatsächlich einige Leute, die das interesssanterweise auch getan haben…

… ich sagte: ‚eine Sache, auf die man abzielen kann… wenn man ein bisschen Vernunft besitzt… ist…

… wenn du jung bist… und wertvoll… dann könntest du beispielsweise der verlässlichste Mensch auf der Beerdigung deines Vaters sein…‘

Ich denke, das ist eine gute Aufgabe…


Und es gab eine ganz Menge Leute, die auf dieser letzten Tour zu mir gekommen sind und mir gesagt haben, dass sie genau das getan haben… alles junge Kerle, unter 20…

… sie sagten: ‚mein Vater ist ganz überraschend gestorben’… oder ‚er starb nach jahrelanger Krankheit’…

… und das hat mich einfach umgehauen…

… kein Wunder, oder?

Sie sagten, sie hätten meine Vorträge gehört… und ich hätte gesagt, sie sollten der verlässlichste Mensch auf der Beerdigung sein… denn alle anderen trauern… was zu Hölle sollst du also tun…?

… und sie sagten, dass sie versucht haben, das zu tun… und das hat ihnen über die Situation hinweg geholfen…

**LL:** ‚Mach dich nützlich‘, ’sei betriebsam‘, beschäftige dich mit etwas, das dir deine Zeit wert erscheint… all das sind gute und erprobte Methoden sich über Leid und Schmerz hinwegzuhelfen… weshalb die größten Genies aller Zeiten – nicht wenige unter ihnen – von Leid getrieben ihre Kunst entfaltet haben…

**JP:** … das ist ein Teil dessen, die ‚Last zu schultern’… so weit ich das sehe…

Außerdem gewinnt man auch etwas realen Respekt sich selbst gegenüber daraus…

… denn du weißt zwar, dass du diese traurige und leidende Kreatur bist, die fähig ist, einiges an Böswilligkeit zu verursachen…

… aber wenn du herausfindest, dass du eine schwere Last schultern kannst… für dich selbst sorgen kannst… und noch ein bisschen auch für andere Leute übrig hast…

… dann wachst du im 3~Uhr morgens auf… und denkst: ‚Mann, ich könnte echt schlechter sein…!‘