21 Die Kränkung durch die Wissenschaft

Die Naturwissenschaft ist ein Quell fortgesetzter Kränkung für narzisstisch veranlagte Gesellschaften und Weltbilder.

…mehr zum Thema Leben und Evolution in: [Prinzipien des Lebens](http://denk-verlag.com/de/leben/prinzipien-des-lebens/)

Die Kränkung ist umso stärker, je narzisstisch gestörter eine Kultur aus ihrer Historie heraus ist. Und da es zum Standardrepartoir der Selbstmotivation und der Überlebensstrategie der allermeisten Gesellschaften gehört, sich selbst ungeheuer wichtig zu nehmen, sich selbst als (einzige und direkte) Abkömmlinge ihrer eigenen Götter zu verstehen sowie sich als (einzige rechtmäßige, auserwählte, erleuchtete) Bewohner des (ihnen von ihrem Gott persönlich und nur ihnen geschenkten) Zentrums der Welt zu begreifen, muss jede wissenschaftliche Erkenntnis, die diesen Status korrigiert von diesen Gesellschaften zuerst als ungeheure Kränkung des eigenen Selbstwertes und des Kultes um ihre eigene Bedeutung empfunden werden.

Ablehnung ist hier also vorprogrammiert und hat sich in der Geschichte auch als entsprechend heftig erwiesen. Und die Wissenschaft macht es den Gesellschaften und Kulturen in ihrer Strenge auch nicht leicht.

## Verhältnis von Wissenschaft und Religion

Die Wissenschaft macht den Zweifel zu ihrem zentralen Gut, zweifelt prinzipiell, ist in ihrer Sichtweise grundsätzlich kritisch und brandmarkt Hörensagen als Abwesenheit, wenn nicht gar Gegenteil von Wissen.

Sie ist so streng, um stets scharf zu trennen zwischen begründbarer Theorie und billiger Behauptung. Ihr Kapital ist ihre Verlässlichkeit und diese verteidigt sie mit aller gebotenen Strenge.

Nun tut die Wissenschaft dies alles nicht aus niederen Zielen. Obwohl der Erfolg allein diesem Vorgehen bereits recht gäbe. Es ist der Wissenschaft weder an der Erniedrigung religiös oder von narzistischem Gedankengut geprägten Gesellschaften gelegen, schon gar nicht an einer Kränkung der Menschen. Überhaupt hat die Wissenschaft nicht solche Ziele, die auf den Menschen bezogen sind, sondern ganz andere, im Innersten eigentlich nur ein einziges Ziel: die Dinge zu verstehen.

Und dieses Ziel ist nicht exotisch, sondern unter menschlichen Kulturen allgegenwärtiger Usus. Auch die Ursache der Religionen ist diese Neigung des Menschen, verstehen zu wollen, Antworten auf Fragen zu suchen und seinen Ort in der Welt, und dadurch am Ende vielleicht auch sich selbst zu begreifen. Denn natürlich sind auch die Göttergeschichten und Schöpfungsmythen der Völker allesamt Versuche zu verstehen – die eigene Existenz, das woher und das wohin.

Doch entbehren diese alten nicht-wissenschaftlichen Ansätze im Vergleich zu wissenschaftlichen Untersuchungen sowohl die Fähigkeit verlässliche und kurzfristig prüfbare konkrete Voraussagen zu machen – obwohl sie das ununterbrochen versuchen -, deren Eintreffen die Überlegung selbst bestätigen würde, noch geben sie eine Erklärung an, die das Beobachtete deduktiv auf einfachere Vorgänge zurückführt und damit dessen zugrundeliegenden Mechanismus klärt und verständlich macht.

In gewisser Weise ist die Wissenschaft die endlich, nach so vielen Jahrtausenden, so vielen Kulten, so vielen Religionen und Erklärungsversuchen endlich funktionierende Methode, die alle Grundfragen des Menschen klären soll und zum ersten mal auch in erstaunlichem Umfang damit beginnt das zu leisten. Religion und Wissenschaft haben also in Wahrheit dieselbe Ursache, denselben Quell, dasselbe Interesse …

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